Ein Mensch, dessen Alltags(er)leben durch Ängste oder Depressionen eingeschränkt ist, fühlt sich nicht frei.
Im Gegenteil, Angst und Depression können sehr beherrschend sein.
Wie ist es möglich, sich innerer und äußerer Freiheit wieder anzunähern?
Eine Möglichkeit ist zunächst einmal das Aufspüren immer wieder kehrender unfreiwilliger MUSTER in seelischer, geistiger und körperlicher Bewegung.
Damit meine ich: auch Denken ist Bewegung, und Emotionen sind Bewegung, das Wort „motion“ ist in der „Emotion“ bereits enthalten.
Es kann hilfreich sein, das Denken zu bewegen, damit es die Richtung wechseln kann.
Emotionen können genauso beobachtet werden, und womöglich stellt sich ein bestimmtes Muster auch in der emotionalen Bewegung dar.
Manchmal steckt ein Mensch auch schlicht und einfach fest.
Dann ist so viel Bewegung im Kopf, dass die Emotionen erstarren.
Ich bin überzeugt, dass an dieser Stelle eine Form von Freiheit durch Bewegung erreicht werden kann.
Durch Bewegung können neue Spielräume erschlossen werden, und zwar schlicht dadurch, dass Sie sich mehr – tatsächlichen – Raum zugestehen (nehmen) oder – ganz konkret – indem zum Beispiel der Raum zwischen den Wirbeln und in den Gelenken erweitert oder aber der Bewegungsspielraum vergrößert wird.
Das bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass hierzu große Taten vonnöten sind!
Ich habe in den 90er Jahren für einen jungen Mann mit Muskeldystrophie gearbeitet, der außer seinem Kopf und einem Finger nichts an seinem Körper selbständig bewegen konnte. Er hat mir das Gefühl vermittelt, dass die Bewegungen innerhalb seiner Grenzen ihm größtmöglichen Spielraum eröffnet haben.
So hat er auch oft gesagt:
„Ohne meine Krankheit wäre ich nicht dorthin gekommen, wo ich jetzt bin“ (spirituell gesehen bzw. auf die Entwicklung seiner eigenen Persönlichkeit bezogen).
Spannend und aufschlussreich ist es auch das eigene Raumerleben allein oder gemeinsam mit anderen Personen zu erforschen.
Spüre ich, wo mein eigener Raum ist? Wo ende ich und wo beginnst du? Was ist mir angenehm, was bringt mich in Bedrängnis? Wie mache ich meine Grenzen deutlich?
Zunächst geht es in der Körperarbeit darum, ein Bewusstsein für den eigenen Bewegungsraum und die (innere und äußere) Form der Körperpräsenz zu entwickeln.
Das fällt anhand der eigenen Bewegungsmuster womöglich leichter als bei der Beobachtung von Gedanken, Gefühlen, Reaktionsmustern. Es ist konkreter, erlebbar, anschaubar, beschreibbar, spiegelbar.
Ein ausführliches Beispiel:
Beobachten Sie einmal Ihren natürlichen Stand.
Was ist das überhaupt, „ein natürlicher Stand“?
Stehen Sie vor Ihrem Kühlschrank genau so wie an der Bushaltestelle, vor Ihrem Partner/Ihrer Partnerin genau so wie in einer Warteschlange?
Im Dunkeln genau so wie im Hellen?
Im Sommer so wie im Winter?
In bekannten Gefilden genau so wie in fremder Umgebung?
Welche Strukturen Ihres Köpers stehen in der Wahrnehmung im Vordergrund? Sind es die Muskeln? Die Blutbahnen?
Wo liegt im Stand das Hauptgewicht auf den Fusssohlen?
Sind Ihre Zehen eher nach innen oder eher nach außen gedreht?
Fühlt sich Ihr Sprunggelenk stabil an oder wackelig?
Sind die Knie leicht geöffnet oder durchgedrückt?
Die Oberschenkel eher nach innen oder nach außen rotiert?
Können Sie die Oberschenkelköpfe in den Hüften wahrnehmen?
Stehen die beiden Hüftteile gleich hoch?
Wie steht es um Ihre Lendenwirbelsäule?
Empfinden Sie im Moment Schmerzen?
Wo empfinden Sie Lust?
Fällt das Becken gerade in den Boden, oder neigen Sie zum Hohlkreuz?
Oder ist das Becken in die andere Richtung gekippt?
Atmen Sie während dieser Übung tief und gleichmäßig?
Sind Ihre Schultern vielleicht hochgezogen oder der Kiefer angespannt?
Was machen Sie mit ihren Augen?
Einer meiner Tanzlehrer sagte immer zu mir, dass es im Prinzip egal sei, wie man geht, steht, oder sitzt, so lange einem die eigene Haltung bewusst ist.
Um auf den oben erwähnten Freiheitsbegriff zurückzukommen:
Sobald ich durch unbewusste Motive innerhalb meiner psychischen Struktur oder durch Trigger von aussen zu Haltungen und Handlungen veranlasst oder in emotionale Lagen gebracht werde, die mir nicht gut tun, die mich einschränken, bin ich unfrei.
Der moderne Freiheitsbegriff geht auf die Aufklärung zurück.
Mit Freiheit wird seitdem so etwas wie die Verfügbarkeit über das eigene Selbst umschrieben.
Das bedeutet, ich kann SEIN, wo ich möchte, TUN, was ich möchte, mit dem, was mir gehört, MACHEN was ich möchte, SAGEN, was ich für richtig halte. So weit die Theorie.
Das klingt einfach und selbstverständlich, ist es aber leider nicht.
Denn es gibt Beschränkungen, wie zum Beispiel jene, die durch die Regeln unserer Gesellschaft gesetzt sind, und wo wir mit dem Wunsch, frei, sprich wir selbst zu sein dort an unsere Grenzen stossen, wo wir nicht „aus der Gesellschaft fallen“ wollen.
Wir suchen Anerkennung und stellen unsere Wünsche dafür zurück und manchmal sind der Druck oder die Beschränkung so groß, dass wir in einer emotionalen Sackgasse enden.
Viele Beschränkungen gelten tatsächlich auch dem motorischen Verhalten: Still sitzen, nicht zappeln, nicht rennen, nicht hüpfen.
Manchmal kann es Wunder bewirken, sich scheinbar kindliche motorischen Ausdrucksformen zurück zu erobern!
So, wie in psychoanalytischen und tiefenpsychologisch fundierten Therapien Veränderung (Heilung) durch die Erfahrung auf der Grundlage einer neuen tragfähigen Beziehung erzielen kann, so bewirkt Körperpsychotherapie eine Veränderung von Bewegungs- und Verhaltensmustern auf sehr grundlegender Ebene, denn Lernen durch Bewegung ist das, was der Mensch in der ersten Lebensphase tut.
Wir fügen neue Erfahrungen bewusst hinzu, berühren und lassen uns berühren.
Wir fangen von vorn an und eröffnen uns damit Chancen zur Veränderung, Wege in die Freiheit.
„Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“. (Franz Kafka)
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